Leere Kassen

Es waren sicherlich harte Zeiten, diese "guten alten Zeiten". Vielerorts durfte die Gemeindekasse häufig leer gewesen sein. Kiesdorf bildete keine Ausnahme.

Aber die Obrigkeit ließ sich etwas einfallen. Auch hier folgte Kiesdorf der Regel.

Der Bürger Wure zur Kasse gebeten

Alles war durch Gesetze und Verordnungen geregelt. Übertretungen wurden scharf geahndet. Sie waren jedoch nicht an der Tagesordnung.

Im Gemeindehaushalt wurden Einnahmen und Ausgaben vermerkt. Ende des vergangenen Jahrhunderts gab es auf der Einnahmeseite das Kapitel "Strafgelder". Der "Bußgeldkatalog", um ein modernes Wort zu gebrauchen, war vielseitig. Er wurde von der Obrigkeit vorgegeben. Die Verfolgung der Delikte auf der unteren Ebene mag manchmal etwas peinlich gewesen sein. So ist es wohl zu erklären, dass manche Dinge in einzelnen Jahren gehäuft geahndet wurden, in anderen Jahren aber keine Rolle spielten. Gehen wir in die Zeit zurück, als das Fahrrad sich immer größerer Beliebtheit erfreute. Es wurden gleich Benutzungsregeln aufgestellt, die bei Nichteinhaltung bestrafungswürdig waren. So wurden 1901 zwei "Dienstknechte" mit je 2 Mark bestraft, weil sie am Fahrrad nicht ihren Namen angebracht hatten. Auch war eine Karte zum "Führen eines Fahrrades" erforderlich. 1905 zahlte ein Dienstknecht 2 Mark wegen Fahrens ohne Karte. 4 Mark Strafe zahlte ein Kiesdorfer Bürger wegen "gesetzwidrigen Fahrens mit seinem Rade". Ein Bäckergeselle zahlte 1902 wegen Fahrens ohne Licht 1 Mark. Wie mag wohl die Lampe ausgesehen haben? Auch Fuhrwerkslenker hatten es nicht leicht.

So kostete das Aufsitzen auf sein Hundefuhrwerk einen Bäcker-gesellen 2 Mark. (1902) Wer nicht die richtige Leine zum Führen der Pferde benutzte, zahlte 1 Mark. Überlastung des Fuhrwerks kostete 1912 immerhin 22 Mark. Misshandlung der Pferde wurde mit 2 Mark bestraft. Und fehlte der Name am Lastgeschirr, so waren 2 Mark fällig. Ein fehlendes Schellengeläut kostete 1 Mark. Mit "übermäßigem Fahren" riskierte der Kutscher 6 Mark. Wer eine Straßenpappel umgefahren hatte, zahlte 1 Mark, 3 Mark für das Umfahren einer Barriere.

1886 musste ein auswärtiger Dienstknecht 2 Mark an die Kiesdorfer Gemeindekasse zahlen, weil er auf der Straße nicht ausgewichen war. Das Auge des Gesetzes war zuweilen sehr wachsam. Alle Fälle wurden den Kiesdorfer Gemeindeakten von 1880 bis 1912 entnommen. Sie ereigneten sich aber verhältnismäßig selten.

Wir beschäftigen uns wieder mit den Gemeinderechnungen aus Kiesdorf um 1900 bis 1912 in Fortsetzung aus der Juni-Ausgabe des Dorfblatts

Es gab damals weitere Bereiche im dörflichen Leben, in denen die Bürger trotz strengen Gesetzen die Ordnung gelegentlich übertraten. Wenden wir uns einmal dem Geschehen während der Tanzmusik und danach zu. 1901 fanden im "Löwen" (Niederkiesdorf) 24 (!) und im "Lamm" (Oberkiesdorf) 10 reine Tanzveranstaltungen statt, dazu kamen noch weitere gesellige Abende. In anderen Jahren war es ähnlich. Jedes Mal flossen davon durchschnittlich 1 Mark Steuern in die Armenkasse der Gemeinde. Diese Abgaben zahlte der Gastwirt.

Es ist schwierig, etwas über Löhne und Preise zur damaligen Zeit zu sagen. Genau überliefert (in den Feuerwehrakten) sind uns 30 und 29 Pfennige Stundenlohn der Zimmerleute (gelernte Facharbeiter) beim Bau des Kiesdorfer Steigerturmes 1899. Das Dienstpersonal beim Bauern musste sicherlich mit viel weniger Lohn auskommen.

Zu Übertretungen der Gesetze kam es, wenn z.B. noch minderjähriges Dienstpersonal auf dem Tanzboden angetroffen wurde. Das war unbefugter Besuch der Tanzmusik und kostete 1 Mark. 1906 zahlte ein junger Mann 5 Mark, weil er den Tanzaufsichtsbeamten beleidigt hatte. So also hieß der Hüter des Gesetzes. Aber dann hatte ja jeder noch den Nachhauseweg zu bewältigen. Und das kostete manchen durchschnittlich 4 Mark wegen nächtlicher Ruhestörung, 10 Mark wegen groben Unfugs oder Sachbeschädigung. Und mal kurz bei jemandem übernachten war "gesetzwidriges nächtliches Beherbergen" und kostete 1 Mark (1908).

1889 wurde einmal ein Gastwirt in Kiesdorf mit 4 Mark bestraft, weil er einen Fortbildungsschüler in seiner Schankstätte geduldet hatte. Ein anderer Bereich war die Sonntags- und Feiertagsruhe. 1878 wurde ein Kiesdorfer Bäcker wegen Backens am Karfreitag mit 3 Mark bestraft.

Und einen Müller traf es mit 4 Mark wegen Mahlens "unterm Gottesdienste", und einen Fuhrmann zu selber Zeit mit 3 Mark wegen Holzabladens.

1891 bis 1907 wurde dieses Vergehen als Entheiligung der Sonntagsruhe mit durchschnittlich 2 Mark geahndet. Der Ziegeleibesitzer konnte aber 1881 für 75 Pfennige eine Erlaubniskarte für Sonntagsarbeit bekommen.

Verleumdungen und Beleidigungen der Einwohner untereinander wurden beim Friedensrichter verhandelt und konnten schon einmal 30 Mark kosten.

Die Menschen lebten früher schon recht gesellig. Zum öffentlichen Bereich wie Tanzmusik oder anderen Abendveranstaltungen wurde in der Juli-Ausgabe schon geschrieben. Nun gab es in einem Bauerndorf reichlich Gesinde auf einem Hof, welches in der Regel jährlich wechselte. Der Staat hatte eine Gesindeordnung erlassen, die eigentlich alles regelt. Der Dienstherr durfte die An- und Abmeldung nicht versäumen, was der Gemeindekasse pro Vorgang 1 Mark einbrachte. Nun hatten aber die Dienstknechte und Dienstmägde auch einmal ihr Tagewerk beendet, und es gab einen gewissen Feierabend. Offenbar regelte die Gemeindeordnung auch, wie dieser Feierabend zu verbringen bzw. nicht zu verbringen sei.

1881 lesen wir in der Gemeinderechnung im Kapitel "Eingegangene Strafgelder" folgendes:

"Von 17 Dienstboten, welche bei Frau ... wegen abgehaltenen Unterhaltungsabenden außer der Zeit bestraft mit je 1 Mark und die Frau ... wegen desgleichen bestraft mit 3 Mark - in Summe lt. Verzeichnis - 20 Mark."

Nun wurde auf dieser Strecke 10 Jahre lang in den Gemeinderechnungen nichts registriert. 1891 hatte die Amtshauptmannschaft offenbar energisch auf die Einhaltung der Gesindeordnung hingewiesen und das schlug sich nun in der Gemeinderechnung nieder. 37mal je 2 Mark wurden eingenommen. Zuerst wurden 2 Gutsbesitzer zu je 2 Mark verurteilt "wegen Duldung nächtlicher Zusammenkünfte in seiner Wohnung beiderlei Geschlechts der Dienstboten." Und nun folgen 35 Namen von Dienstknechten, Dienstmägden einschließlich 4 Arbeitern bzw. Arbeiterinnen aus Betrieben - alle mit 2 Mark bestraft. Das soll nicht weiter kommentiert werden.

1894 nennt das Kapitel "Strafgelder" 24 Namen. Aber das "Vergehen" wurde nur mit 1 Mark geahndet. 1896 sind im Gemeinderechnungsbuch 29 Namen von der Dienstmagd bis zum Hausbesitzer wegen der bewussten Delikte vermerkt und die Geldbußen liegen zwischen 1,50 Mark und 4 Mark.

1908,1909 und 1911 taucht das Kapitel immer wieder auf. Dann endet das Rechnungsbuch. Die Gesindeordnung galt aber weiter und das Leben nahm auch seinen Lauf.

Wilfried Ay