Alte Wege führen übers Land

Mit welchen Absichten sie jedoch begangen werden, kann recht unterschiedlich sein. Ein kürzlich im Archiv der Gemeinde Schönau-Berzdorf aufgefundene Abschrift eines Dokumentes aus dem Jahre 1785 veranlasst mich zum Schreiben.

Parallel zur Kiesdorfer Dorfstraße verläuft die Obere Straße in Kiesdorf, jetzt als K 8617 bezeichnet. Seit Jahren bewegt mich die Frage, warum die Schönauer Flur (und Altbernsdorfer) an dieser Straße endet und die Kiesdorfer an dieser Straße beginnt. Es gibt darauf augenscheinlich eine Antwort. Wege können uralt sein.

In der Schule erfuhren wir von der Via Regia, der Hohen Straße, die seit mehr als tausend Jahren in unseren Breiten die West-Ost-Verbindung darstellt und aus der Rhein-Gegend bis hin nach Kraków (Polen) führte. Das war eine wichtige Handelsstraße, stand unter landesherrlicher Aufsicht und ihre Benutzung war zollpflichtig. Vielseitig gestaltet sich das Leben und eine Entwicklung ist sichtbar. In Abschnitten ergaben sich immer wieder Parallelwege zu dieser Hohen Straße, teils um bessere Wegverhältnisse zu erhalten, teils um Strecken zu verkürzen oder aber um Zollstellen zu umgehen bzw. neue Gebiete zu erschließen. So können wir uns als parallele West-Ost-Verbindung die Straße von Bautzen-Löbau-Bernstadt-Ostritz und weiter über die Neiße ostwärts erklären.

Uralt jedoch ist auch eine Nord-Süd-Verbindung in unserer Nähe, von der wir bisher kaum etwas wussten. Sie kam von der Ostseeküste her und ging nach Prag. Sie führt in unseren Bereich entlang der Neiße, wird von wissenschaftlichen Betrachtern (Veröffentlichung z. B. in der Oberlausitzer Bibliothek der Wissenschaften) als Neißetalrandstraße bezeichnet (heute B 99) und überquert das Zittauer Gebirge im Lückendorfer Pass. Als landesherrlicher Straße hatte sie ,,Chausseegeldeinnahmestellen", zum Beispiel die spätere Zollschänke in Nickrisch (Hagenwerder). Natürlich hatte auch diese Straße Parallelen, offensichtlich die heutige Hauptstraße durch Schönau-Berzdorf. An dieser Straße muss eine Chausseegeldeinnahmenstelle bestanden haben. Pfarrer Keil berichtet in seinem Buche ,,Welke und grüne Blätter aus der Geschichte der Kirchengemeinde Schönau mit Niederkiesdorf" auf Seite 126 von der Schließung einer Chausseegeldeinnahmestelle in Schönau im Jahre 1885.

Auch die Obere Straße in Kiesdorf dürfte als eine Parallelstraße zur Nord-Südverbindung anzusehen sein, ohne dass wir an dieser Straße von einer Chausseegeldeinnahmestelle wissen. Die Straße lag jedoch im Blickfeld des ,,Landesherrn", wie wir aus dem o.a. Dokument herauslesen können. Das soll in der nächsten Ausgabe des Dorfblattes näher dargelegt werden.

Als um 1200 die deutschen Siedler unsere Orte gründeten, fanden sie den wohl schon aus der slawischen Zeit vorhandenen Weg vor und mussten hier wohl unter Berücksichtigung einer Dorfaue ihr Hufen enden bzw. beginnen lassen.

Wege können aber auch jüngeren Ursprungs sein.

Wenden wir uns nun dem unlängst im Archiv aufgefundenen Dokument zu. Es ist eine Abschrift und kommt aus der Kanzlei des Klosters Marienstern und betrifft einen Vorgang im Eignischen Kreis, der ja zum Kloster gehörte. In verständliches Deutsch übertragen lautet es:

"Wir Bernharda, des Fürstlichen Stifts und Jungfräulichen Klosters Marienstern regierenden Äbtissin und Herrin

Nachdem uns hinterbracht wurde, daß seit einiger Zeit von den Fuhrleuten ein neuer Weg von Kiesdorf ab durch den kleinen Wald angelegt und dadurch nicht allein großer Schaden an den Waldungen, Feldern und Wiesen verursacht. sondern auch damit die kurfürstlichen Zölle überfaahren werden, daher denn an der Abfahrt von den ordentlichen Zollstraßen Verbotssäulen errichtet, dadurch aber der Endzweck noch nicht gänzlich erreicht werden kann. So wird den Gerichten anbefohlen, daß wenn künftig Fuhrleute oder Viehtreiber auf dem verbotenen Wege sich betreffen lassen und entweder von Seiten des kürfürstlichen Zolles oder unserer Förster und Untertanen angehalten werden, ihr zur Einbringung dergleichen Betroffenen die erforderliche Hilfe leisten sollt, wonach sich gehorsamst ihr euch zu richten habt.

Siegel Kloster Marienstern den 21. März 1785 Canzley allda"

Leider nennt uns das Dokument nicht die angesprochenen Ortschaften. Es könnte jedoch mindestens Kiesdorf, Dittersbach und Neundorf gewesen sein. Aus der Klosterchronik wissen wir, dass Bernharda Kellner dem Kloster von 1782 bis 1798 als Äbtissin vorstand

Der hier 1785 erwähnte Weg muss die wohl schon einige Jahre vorher eingefahrene von der Oberen Straße abzweigende Straße zum Kleinen Wald sein. (Der Verlauf der Oberen Straße war in diesem Bereich früher etwas anders.)

Diese Straße zum Kleinen Wald wäre ebenfalls als eine Parallelstraße zur Neiße-Talrandstraße anzusehen und als Umgehung der Landesherrlichen Straße (Obere Straße und Hauptstraße in Dittersbach) weiter in Richtung Süden (Zittau-Prag) führender Weg anzusehen, sicher aber auch als eine neue Verbindung ins Oberland Richtung Eibau, Neugersdorf.

Wilfried Ay